Am Alten Gradierwerk
Die Straße „Am alten Gradiewerk“ zweigt von der Salinenstraße ab und endet als Sackgasse am Dialyse-Zentrum. Läßt man die Straße im Rücken, blickt man direkt auf das prächtige „Alte Gradierwerk“, eines der beiden Wahrzeichen von Bad Rothenfelde.
Nachdem 1724 die erste Sole-Quelle im heutigen Konzergarten entdeckt wurde, entstand im Ort ein florierendes Salzwerk. Rund 100 Jahre wurde hier das „weiße Gold“ gefördert, der Handel blühte.
1774 bis 1777 von Salzinspektor Lüttich erbaut, diente das 13 Meter hohe und, damals noch, 178 Meter lange Gradierwerk als Verdunstungsanlage und war fester Bestandteil der Saline (am 17.Juli 1989 stürzten 25 Meter des alten Gradierwerkes ein, vermutet wurde, dass die Erschütterung die ein Düsenflieger, der kurz zuvor im Tiefflug über das Heilbad flog, verursachte, mitverantwortlich für den Einsturz war).
Hier rieselt bis heute die Quellsole aus der 180 Meter tief liegenden Quelle an den Schwarzdornwänden herab um den Salzgehalt der Sole von 5% auf 25%. zu erhöhen. Früher war es danach Aufgabe der Salzsieder im Siedehaus in riesigen Pfannen (8,5 m x 12m, 40cm tief) durch Kochen die Sole in Salz zu „verwandeln“. Eine kleine Glocke hoch oben auf dem alten Gradierwerk „rief“ früher die Salzsieder zur Arbeit.
Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Das Siedehaus, in dem sieben Pfannen unentwegt „unter Dampf“ standen, steht längst nicht mehr, die Saline stellte aus wirtschaflichen Gründen 1969 ihre Produktion ein. Seit 1905 trägt Rothenfelde den Zusatz „Bad“, seit 1965 ist der Ort als staatliches Heilbad anerkannt. Denn es wurde entdeckt, dass das Einatmen der Solepaktikel beim Verdunstungsprozess positive Wirkung auf die Gesundheit hat.
Heute erklingt das Glöckchen wieder, jeden Mittag um punkt 12 Uhr erinnert es die Kurgäste an die Geschichte des Gradierweks. Das ist unter anderem dem „Förderverein zum Erhalt der Gradierwerke“ zu verdanken. Manfred Nieweler ist ein Mitglied des Vereins. Und will man die Gradierwerke besichtigen, ist man bei ihm in guten Händen, sein Wissensschatz rund ums Salz und die Rothenfelder Geschichte scheint unerschöpflich. Dabei ist er selbst erst vor einigen Jahren von Osnabrück hierher gezogen. „Eine halbe Million Euro hat der Verein seit seiner Gründung 1993 gesammelt,“ berichtet er stolz. Aber auch im Salinenarchiv engagiert er sich und verfügt als leidenschaftlicher Hobbyfotograf über unzählige Aufnahmen rund um das Gradierwerk und die Rothenfelder Architektur mit ihren schmucken Gebäuden.
Auch für Kunstprojekte eignene sich die alten Schwardornwände der Gradierwerke:Mittlerweile zum fünften Mal werden sie ab 18. September die Projektionsfläche für die „Lichtsicht-Projektions-Biennale“, „einer der imposantesten Projektionsveranstaltungen für Video- und Lichtkunst im öffentlichen Raum“ (aus: Urlaubsmagazin 2015/16 Bad Rothenfelde. So spannt Bad Rothenfelde mit seinen Gradierwerken und der bewegten Geschichte rund ums Salz über Jahrhunderte den Bogen von Arbeit über Kur bis hin zur Kunst.
Fotos: 1.Blick auf das alte Gradierwerk, 1906, Foto: Salinenarchiv
2. Das alte Gradierwerk heute, Foto: Manfred Nieweler
Text: Nicole Degutsch