Maria de Schulte zu Horst
Schachspielerin, Heimatlyrikerin, Altenheimbesitzerin
Als Maria de Schulte zu Horst im Jahr 2002 mit 96 Jahren starb, hatte sie in ihrem „Schachhäuschen“, wie sie ihr Bad Rothenfelder Schachmuseum nannte, 250 Schachspiele hinterlassen. In ihrem langen und ereignisreichen Leben hatte sie alle fünf Kontinente bereist und währenddessen auch Schachspiele und Figuren zusammen getragen. So konnte sie zu nahezu jedem ihrer Schachspiele eine eigene Geschichte erzählen. Ernst, traurig oder humorvoll: immer spiegelten sie die Hintergründe des Landes und die eigene Historie zu den Spielen und ihrer Zeit wider – Tonfiguren eines Schachspiels aus Australien z.B. in Form von Känguruhs und Schlangen während ein Krokodil den Platz des Königs einnimmt; eine Darstellung der Schlacht bei Waterloo, ein Schachspiel mit „Walt Disney Figuren“ oder ein dreidimensionales Spiel aus „Raumschiff Enterprise“. Aber es waren auch die ideellen Werte der Schachspiele, die ihr Museum so lebendig und vielschichtig machten.
So befand sich in ihrer Sammlung u.a. ein schlichtes aus Holz geschnitztes Schachspiel. Zwei ehemalige Kriegsgefangene hatten es de Schulte zu Horst geschenkt. Geschnitzt worden waren die mit Schuhcreme geschwärzten Figuren aus Konservendeckeln in einem sibirischen Kriegsgefangenenlager. Die Männer hatten das Schachbrett aus einem Stück Pappe hergestellt, das sie eigentlich unter der Kleidung trugen, um der schrecklichen Kälte zu trotzen. Maria de Schulte zu Horst, die Psychologie studiert hatte, wusste ihre Gäste im Schachmuseum in eine andere Welt und Dimension zu versetzen. Jedes ihrer über 250 Schachspiele erzählte eine andere Geschichte – und immer ging es um die Psychologie der Überlegenheit „geschickter Schachzüge“.
Auf diese Art machte sich Maria de Schulte zu Horst in der Männer-Domäne einen Namen: am 26.08.1983 trotze sie dem damaligen Schachweltmeister Anatol Karpov auf einem Schach-Großmeisterturnier in Hannover nach zwei Stunden Spielzeit ein Remis ab. Sie war dort die einzige Frau unter 20 Männer – allesamt Schachgrößen aus der ganzen Welt. Darüber hinaus besiegte sie später auch noch den dreifachen Ex-Weltmeister Wassilij Smyslow. Diese Triumphe haben sie in der von Männer dominierten Schachwelt so berühmt gemacht, dass Schachbegeisterte ihre Sammelleidenschaft unterstützten und deutsche Fernsehsender sie daraufhin in ihre Talkshows einluden. Ihr Erfolg ist wohl in ihrer Kindheit zu finden: Bereits mit vier Jahren hatte die aus einer hessischen Familie stammende de Schulte zu Horst das Schachspielen erlernt und mit fünf ihren Großvater besiegt.
Maria de Schulte zu Horsts zweite Leidenschaft galt der Literatur und der Musik. So brachte sie mehrere Schriften und Bücher mit Gedichten und Kurzprosa heraus, in denen sie ihre Heimatverbundenheit zum Ausdruck brachte. Regelmäßig schrieb sie Gedichte über den Bad Rothenfelder Weihnachtsmarkt und brachte ihre Nähe zum „Liebenswerten Bad Rothenfelde“ unter anderem im Buch „… es ruht die Stunde“ zum Ausdruck. In der „Schach-Novelle“ verfasste sie Gedichte und vertonte diese auch zum Teil.
Maria de Schultes Vorfahren waren mit dem englischen Königshaus verwandt und im Besitz eines Testamentes aus dem Jahr 1165, in dem Kaiser Barbarossa ihrer Familie Adelsprivilegien und Ländereien vermacht hatte.
In Bad Rothenfelde heiratete sie Heinrich Schulte und lebte in der ehemaligen Villa Lyssmann an der Parkstraße. Dort richtete sie ein Seniorenheim ein. In den Nachkriegswirren wurde ihr Haus von den englischen Besatzungsmächten beschlagnahmt und ihre Bewohner nach Nolle in die Gaststätte „Noller Schlucht“ ausquartiert. Sie selber fand eine Bleibe im Haus Meyer-Nieberg in Nolle. Aus Dankbarkeit an die Noller Bevölkerung widmete sie der Noller Bevölkerung 1995 ein Gedicht – 50 Jahre nachdem die Besatzung ihr Haus wieder freigab. Ihr Altenheim bot Frauen von 30 – 94 Jahren aus allen sozialen Schichten eine Bleibe. Das Schachmuseum war auf dem Grundstück in ihrem „Sommerhaus“ untergebracht.
Heute befinden sich in dem Haupthaus immer noch Räumlichkeiten für Senioren, die über das Altenpfelegeheim Beckwermert dort betreut werden.
Nach dem Tod Maria de Schulte zu Horsts war es der Gemeinde Bad Rothenfelde wichtig, die Schachspiele zu bewahren. So kaufte sie die Sammlung von de Schulte zu Horsts Neffen Johannes Oostdam ab. Seit dem Jahr 2012 werden einzelne Exponate der großen Sammlung in Vitrinen im „Haus des Gastes“ im „Café in Moll“ ausgestellt. Damit wurde die Idee Frank Woermanns zur Präsentation der Spiele mit Unterstützung diverser Sponsoren für die Vitrinen zur Präsentation umgesetzt.
Ein „geschickter Schachzug“!